LESSON 3: WOOD
BY RAINER SPEHL

Letzten Samstag (09.04.2016) haben wir uns im Studio von Rainer Spehl in Berlin-Mitte eingefunden, um im Rahmen der dritten Ausgabe unserer Cee Cee Lessons individuelle Schneidebretter aus Holz zu fertigen. Zuerst gab es eine kleine Materialkunde von Rainer, der uns eine Auswahl verschiedener Hölzer und ihre Beschaffenheit vorstellte. Dann ging’s los: das Cee Cee Team, die Jungs von Bulleit und unsere 10 geladenen Gäste verbrachten die nächsten fünf Stunden damit zu sägen, kleben, hobeln und feilen – getreu unseres Mottos “hands on”. Am Mittag wurde das neue Wissen dann im Rahmen einer kleinen Brotzeit am langen Holztisch im Hinterhof ausgetauscht. Die Whiskey Drinks gab’s natürlich (eigentlich) erst nach getaner Arbeit… Und nach Hause gegangen sind wir alle stolz und happy: mit unserem eigenen Holzbrett!

 
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Aber auch abseits von unserem Workshop lohnt ein Besuch bei Rainer Spehl: im Keller seiner Remise hat er einen Showroom installiert, wo man sowohl fertige Objekte als auch seine Holz-Eperimente sehen kann: Elegante Stühle, Tische und lässige Hocker, die jede Küche verschönern und vieles weitere. Rainer arbeitet für Privatkunden und fertigt kleine Serien. Wir sind Fans seiner Arbeit – und jetzt, nach dem Workshop, um so mehr auch von ihm. Danke Rainer, dass Du Dein Wissen und Verständnis mit uns geteilt hast.

 
 
 

INTERVIEW MIT RAINER SPEHL

Möbeldesigner, Tischler, Design Maker, Holzexperte, Um-die-Ecke-Denker – auf Rainer Spehl trifft vieles zu, nur in eine Schublade lässt er sich nicht stecken. Der Wahlberliner entwickelt Möbelserien und -stücke für kommerzielle und private Auftragskunden, während er seine eigenen Arbeiten verwirklicht, die alle eines gemeinsam haben: Aus Holz müssen sie sein. Dabei entstehen dann schon mal so Dinge wie ein hölzernes Laptop-Case, mit dem er vor ein paar Jahren für Aufsehen sorgte. Sein Prinzip dabei? Mit Imperfektion zur Perfektion.

 
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Du bist das, was man im Englischen einen „design maker“ nennt. Du gestaltest Möbel, stellst diese aber auch selbst her. Woher kommt deine Expertise sowohl im Bereich Design als auch Handwerk?

Ich hatte immer schon ein großes Interesse an Möbeln. Nach einem Jahr Maschinenbau-Studium, was sich ziemlich schnell als das Falsche für mich herauskristallisierte, habe ich eine Zeit lang ganz hands on Verschiedenstes ausprobiert und arbeitete für Schlosser, Tischler und Modellbauer. Ich wollte erst einmal verstehen, wie alles funktioniert.
Die Idee, Designer zu werden, war für mich damals noch kaum greifbar, auch wenn mich der ästhetische Aspekt immer schon gereizt hat. Mein Horizont war rein auf Deutschland beschränkt, bevor ich eine Frau kennenlernte, die mich nach London gebracht hat. Dort habe ich dann am Ravensbourne College Produktdesign im Bachelor studiert. Das hat unheimlich Spaß gemacht. So viel, dass ich quasi in einem Schwung auch den Master am Royal College gemacht habe, was mir noch mal einen weiteren Kontext gegeben hat. Am Royal College ging es weniger darum, Gegenstände zu entwickeln als um die Beantwortung der Frage, was morgen und übermorgen an Produkten benötigt werden wird.

Wann war für Dich klar, dass Du primär mit Holz arbeiten möchtest?

Holz ist das einfachste Material, um gestalterische Ideen umzusetzen.
Nach meinem Studium habe ich erst einmal als freier Designer und mit ganz unterschiedlichen Materialien gearbeitet, was auch wichtig war und viel Spaß gebracht hat – zum Beispiel meine Kunststoffhocker, die weltweit verkauft und ausgestellt wurden. Als das Thema Recycling ganz groß war, habe ich mit Freunden, die einen Laden für historische Bauelemente hatten, das Jazzcafé des Buchhandels Foyles London mit recycelten Möbeln ausgestattet. Dass es nach und nach immer „holziger“ wurde, hat sich durch viel Experimentieren und unterschiedliche Projekte ergeben, in denen ich die Haptik, Schönheit und auch die Grenzen des Materials kennengelernt habe.

Im Jahr 2003 bist Du in Berlin gelandet. Womit hast du hier Fuß gefasst?

Ich beendete meine einjährige Weltreise nach meiner Zeit in London in Berlin und fand den Spirit sofort toll. Zuerst hatte ich nur eine kleine WG-Werkstatt, bevor ich mein Studio in der Brunnenstraße fand. Von hier aus habe ich erst einmal relativ viel Messebau betrieben, wie zum Beispiel den Stand für Nike bei der Bread & Butter. Diese Erfahrung war sehr wichtig für mich, ich habe viel Wissen über Materialien gewonnen, mit denen ich vorher kaum zu tun hatte.

Wann hast Du angefangen, Auftragsarbeiten auszuführen und welches Möbel war das erste dieser Art?

Das passierte ganz organisch. Ich nahm Aufträge von Freunden an. Die ersten eigenen Produkte waren meine Schemel. Ich habe einem Bekannten bei der Einrichtung geholfen, er wollte einen Eichentisch und sechs ganz einfache Schemel. „Mit drei Beinen, weisst du. Ganz simpel.“ Wusste ich. Fand ich aber nicht. Man möchte meinen, im Internet gibt es alles. Aber gerade die einfachen Dinge sind oft schwer zu finden. Also habe ich sie selber gebaut. 

 

 

»Holz ISt das einfachste Material, um gestalterische Ideen umzusetzen.«

 
 
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Gibt es ein größeres Projekt, das Du gerne angehen würdest, aber bisher noch nicht die Gelegenheit zur Realisation hattest? 

Eines Tages würde ich gerne mein eigenes, kleines Haus bauen. Ich weiß schon viel über Holz für Möbel, aber wenn es um große, schwere, dicke Bretterbohlen, Holzstücke und Verbindungen geht, bin ich noch nicht wirklich gut. Um das zu lernen, würde ich unglaublich gerne nach Japan gehen und dort ein halbes Jahr bei jemandem arbeiten.

Was ist das wichtigste Ventil für Deinen kreativen Schaffensprozess?

Ich bin ein großer Freund von Fehlern und Makeln. Es gibt kaum etwas Schöneres, als die individuelle Patina herauszukitzeln und ein Material richtig herauszufordern. Das Holz meines Küchentisches stammt beispielsweise aus Polen und hat eine Stelle, an der es im Krieg von einer Granate getroffen wurde. Anhand dieses Tisches habe ich das erste Mal entdeckt und verstanden, wie Eisen mit Holz reagiert und was da für eine tolle, verrückte Farbe entstehen kann. Ich habe dann ein Stück Eisen in ein anderes Holzstück gesteckt und untersucht, wie sich die Materialien verändern. Heute arbeite ich bei vielen meiner Produkte mit dieser Kombination.

Was wäre für Dich schlimmer: Wenn Du nur noch gestalten könntest, ohne selbst zu bauen oder wenn du nur noch externe Aufträge umsetzen könntest?

Ich könnte nie nur Servicearbeit leisten. Dann wäre ich lieber nur Gestalter. Aufträge setze ich nur um, wenn ich auch mitgestalten darf.

Wo liegen die Grenzen der Mitbestimmung im Austausch mit Deinen Kunden?

Wenn sie schlau sind, verstehen sie, dass sie mir ab einem gewissen Grad vertrauen müssen. Kommunikation ist aber sehr wichtig. Viele Leute, die mit Gestaltung gar nichts zu tun haben und nur in Zeitschriften über Design geblättert haben, überschätzen ihr Wissen oft. Ich kann aber prinzipiell solange mit meiner Arbeit auch nicht zufrieden sein, bis der Kunde nicht glücklich ist. Das ist ehrlich gesagt bislang aber noch nicht passiert.

 
 
 

»Ich bin ein großer Freund von Fehlern und Makeln. Es gibt kaum etwas Schöneres, als die individuelle Patina herauszukitzeln und ein Material richtig herauszufordern.«

 
 
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Wie definierst Du Schönheit im Kontext eines Möbelstückes?

Ich glaube wirklich schön kann für mich nur sein, was für alle Sinne funktioniert, nicht nur für die Augen. Ein Tisch wird erst richtig schön, wenn man daran sitzt und merkt, dass die Proportionen perfekt sind und er sich super zur Kommunikation eignet. Und er darf nicht zu glatt sein. Viele neu interpretierte Designklassiker finde ich zum Beispiel überhaupt nicht attraktiv – denen fehlt etwas, Tiefe, Leben.

Dein Laptopcase „Noah“ aus Holz, das Du vor ein paar Jahren entwickelt hast, wurde zum Riesenerfolg. Wie kam die – zugegebenermaßen etwas absurde – Idee zustande?

Während meiner Weltreise habe ich mir meinen allerersten Laptop – das Macbook 12 inch – in Amerika gekauft. Ich wollte allerdings nicht mit der offensichtlichen Apple-Box in der Hand weiterreisen und habe mir dann einfach eine Holzbox als Hülle gebaut. Einerseits war es ein reines Spaß-Projekt, andererseits super robust und perfekt für meinen Rucksack. Und der Kontrast zwischen dem Eichenholz und dem silberfarbenen Laptop ist auch ziemlich gut.
Als ich danach in Berlin angekommen bin, lag es in meinem Atelier herum und ich wurde immer wieder darauf angesprochen. Ein befreundeter Fotograf hat das dann ganz gut dokumentiert und als vor sieben, acht Jahren der Blog-Boom kam, ist es passiert: Irgendwer hatte eines der Bilder von meiner Website auf seinen Blog gezogen. Ich kam abends nach Hause, klappte den Rechner auf und hatte 120 Mails im Posteingang. Der Betreff war immer der Gleiche: „Laptopcase“. Da dachte ich mir: „Ach du Scheiße!“. Ich hatte ja gerade mal eine Hand voll Cases vorproduziert. Am nächsten Tag rief mich dann der Systemadministrator meiner Website an und fragte, ob ich nicht Werbung schalten will, ich hätte an die 60.000 Klicks pro Tag auf meiner Seite – da brauchte ich erstmal einen Drink.

Kannst Du Dich noch erinnern, welcher das war?

Tatsächlich Whiskey.

Was liebst Du an dem Getränk?

Er passt zu sehr vielen Lebenssituationen, gleichzeitig hat er so viele Facetten, Farben und Nuancen. Whiskey ist ein bisschen das Holz unter den Getränken.

Was erwartest Du Dir von den Cee Cee Lessons?

Ich freue mich auf die Leute und deren Erwartungen. Ich bin sehr gespannt, ob und was sie über mich, meine Arbeit und das Material Holz generell wissen. Und dann interessieren mich natürlich die individuellen Endresultate, wie sich der Charakter der einzelnen Personen widerspiegelt.

Und was würdest Du gerne vermitteln und was wäre das größte Kompliment, das Du von einem Workshop-Teilnehmer bekommen könntest?

Dass die Arbeit mit mir etwas in ihm geweckt hat. Etwas, von dem er vielleicht nicht einmal wirklich wusste, dass es da ist. Ich würde mir wünschen, dass der Workshop dazu animiert, auch die Sicht auf viele Dinge zu überdenken, ohne den Teilnehmern dabei meine aufzudrängen. Sie sollten schon gerne nicht nur so arbeiten, wie es vorgegeben wird. Jeder soll sein eigenes Ding machen. So wie ich.

 

Interview: Zsuzsanna Toth
Fotos: Andreas Bohlender, Daniel Farò
Video: Ali Naddafi